#2: Wie verarbeiten Gesellschaften Völkermord? [1]

Prof. Dr. Timothy Williams – oder, kurz, Tim – ist Konfliktforscher. Das bedeutet, dass er sich mit der Entstehung, Entwicklung und Auswirkung von Konflikten beschäftigt – in seinem Fall bisher besonders mit Genoziden/Völkermorden. Besonders geht es ihm dabei um die Auseinandersetzung mit einer solchen Historie auf individueller Ebene. Wie verarbeiten Zeitzeugen, Opfer und Täter politisch oder ideologisch motivierte Unterdrückung und Massenmord, eine systematische Auslöschung? Kein leichtes Thema – aber ein wichtiges, ein interessantes. Darum geht es in der heutigen Folge. Sein Buch zum Thema findet ihr als kostenlosen Download auf seiner Webseite (Link unten)!

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Zuhörer und Zuschauer wenn ihr uns auf

YouTube zuguckt, ich habe Heute wieder

ein sehr interessantes Interview

und zwar

mit Tim

mehr sage ich dazu jetzt noch gar

nicht, denn wie immer frage ich gleich

mal am Anfang. Tim, wer bist, du was machst

du und wo kann man dich finden, wenn du gefunden werden möchtest?

Ich bin Tim Williams und ich bin an der

Universität der Bundeswehr in München

wo ich eine Juniorprofessur habe für

Unsicherheitsforschung und

gesellschaftliche Ordnungsbildung. Das

klingt erst mal lang und kompliziert.

Es geht bei mir um Konflikt und Gewalt

in der Professur und genau. Mich

findet man auf Twitter

unter

unterstrich Tim unterstrich Williams

unterstrich ganz eingängig oder auf

meiner Webseite timothywilliams.de

Perfekt, das ist auch alles wie immer in

der Beschreibung verlinkt, wenn ihr

nachher mehr über Tim herausfinden wollt.

Du hast auch glaube ich relativ kürzlich

ein Buch geschrieben, wenn ich das

richtig im Kopf habe

wenn du kurz dazu was sagen möchtest,

denn ich habe es nicht gelesen.

Noch nicht. Das Buch gibt es sogar umsonst

zum runterladen also open access, das

heißt The Complexity of Evil Perpetration and Genocide

ist also ein englischsprachiges

Buch und es geht darum, warum sich

Menschen an Völkermord beteiligen. Also

warum sich Menschen dazu entscheiden

andere Leute im Völkermord umzubringen

und geht auf Daten von mir aus

Cambodia zurück. Und das kann man, den

Link findet man auf meiner Website

oder bei Rutgers University Press. Einfach meinen Namen eingeben.

Was hast du denn Studiert, wie wird man zum

Juniorprofessor für Konfliktforschung

mit Schwerpunkt Völkermord und

Gewaltgeschichte sozusagen. Genau also ich bin

von Haus aus Politikwissenschaftler

ich habe in Mannheim und in London

erst Politikwissenchaft, dann vergleichende

Politikwissenschaft studiert aber in

London schon mit dem Schwerpunkt im

Master auf Conflict-Studies.

Also Konfliktforschung und

innerhalb der Konfliktforschung habe ich

mich dann schnell auf die krassesten

Konflikte sozusagen

fokussiert, ich dachte wenn schon

Konfliktforschung, dann richtig

und habe mich dann in meiner Masterthesis und dann in

meiner Promotion auf Völkermord damit

spezialisiert. Wobei in fast allen

Gesellschaften natürlich nicht nur

ein Völkermord stattgefunden hat, sondern

ganz oft auch ist es eingebettet in

Bürgerkriegen in

Aufstände, Revolution, aber ganz oft

überlagert der Völkermord sozusagen auf

diese anderen gewaltsamen Vergangenheiten

das ist gar nicht so unwesentlich, dass

es dann eigentlich fast immer um die

Erinnerung an Völkermord geht, obwohl da

auch ganz viel anderes auch passiert ist.

Gab es einen bestimmten

Grund, ein bestimmtes Thema, einen

bestimmten Völkermord der so der

Auslöser dafür war, dass du gesagt hast

das Thema interessiert mich, das finde

ich wichtig. Ja also spannende weise in

der Schule hat man ja ganz viel mit dem

Holocaust zu tun.

Ganz kurz zum einkahen,

du bist in Deutschland zur Schule gegangen, du bist

englischer und deutscher Muttersprachler

richtig? Genau, also ich bin in

England zwar geboren, aber mit drei

Jahren hierher gezogen und bin, gut ich

war auch mal zwischendrin wieder weg, aber

die meiste Zeit war ich in Deutschland in

der schule, genau. Ich lernte

ganz viel über den Völkermord in

Deutschland, also Holocaust und mich hat

das ehrlich gesagt in der Schule

ziemlich genervt, weil wir so viel

darüber gesprochen haben und ich glaube

wenn mein 17 oder 18-jähriges ich

wüsste, dass ich jetzt seit acht Jahren

zum Thema Völkermord forsche, wäre leicht

entsetzt. Im Studium habe ich dann eben

einiges über Völkermord gelesen und

gemerkt das ist immer ganz wenig dazu

gibt auf der individuellen Ebene, auf

der Ebene der einzelnen Täterinnen und

Täter. Es gibt schon einiges, aber das

wird gar nicht so systematisch

angeschaut und vor allem nicht

vergleichend angeschaut. Und dann dachte ich

mir so ja, das muss mal gemacht werden,

das interessiert mich und ich hab dann

mich auf Cambodia spezialisiert,

weil es dazu einfach extrem wenig gibt

zu den individuellen Täterinnen und

Tätern. Es gab eigentlich vor mir nur ein

Buch. Habe danach einige andere Projekte

seit der Promotion gemacht in

Kambodscha, jetzt weniger zu Gewalt

selbst und mehr zur Erinnerung an die

Gewalt. Genau das ist nämlich auch, das

ist ja ein riesiges Thema zu dem die

forscht. Und ja, acht Jahre da kann man,

denke ich, eine Menge, hat man irgendwann

eine Menge zusammen, über die man reden

kann, aber wir haben uns im Vorfeld schon

ein bisschen abgesprochen, worüber wir

Heute eher verschärft reden und haben

uns auf die Frage genau dessen geeinigt,

nämlich wie sich

Gesellschaften an gewaltvolle oder

gewaltsame Vergangenheit erinnern. Worum

genau handelt es sich denn im Falle von

Kambodscha, was ist da so kurz wie

möglich passiert?

Es gab den Vietnamkrieg nebenan und

ja das schwappte über Anfang der 70er

Jahre nach Kambodscha, in dem die USA

ganz viele hunderttausend Menschen

umgebracht hat, mit ihren Bomben. Und da

gab es einen Bürgerkrieg in Kambodscha und das

brachte die roten Khmer an die Macht, 75 bis

79. Und die haben während ihrer

Regierungszeit sind zwei Millionen von

sieben Millionen Menschen gestorben eine

Million sind verhungert und sind an

Krankheiten und Überarbeit gestorben

die andere Million werden umgebracht.

Das ist heftig,

also allein schon verhältnismäßig.

Genau, die wurden 79 gestürzt von einer

Einmarsch Armee der

Vietnamesen und da gab es dann

den zweiten Bürgerkrieg, der bis Ende der 90er Jahre noch

ging, also relativ lang. Für mein erstes

Projekt das zum zu Tätern und Täterinnen

habe ich ganz viele Interviews geführt

und bin auf einem Moped quer durchs Land

gereist, durch die Provinzen auf die

Reisfelder, und habe, weil es größtenteils

Bauern sind heutzutage,

genau. Und danach

zum Thema Erinnerung und

Aufarbeitung, habe ich auch viele Interviews

mit vielen Interviews geforscht, da aber

dann hauptsächlich in der Hauptstadt mit

Leuten die in Gedenkstätten arbeiten, die

am Gerichtshof arbeiten in verschiedenen

NGOs also zivilgesellschaftlichen

Organisationen arbeiten. Aber da besuche

ich dann auch diese Gedenkstätten und

geht zu verschiedenen Projekten und

versuche das mir alles anzuschauen und ein

bisschen zu beobachten, teilnehmende

Beobachtung nennt man das.

Wo man einfach da bissen abhängt und guckt was

passiert und versucht das ein bisschen

zu analysieren. Und dann interessiert uns

jetzt natürlich

was ist denn dabei jetzt rausgekommen, was

gibt es denn für muster?

Zumindest bisher, wie beschäftigt

sich eine Gesellschaft in der etwas so

schreckliches und so groß ist und denke

ich gerade auch im Nachhinein und aus

der ferne schwer verständlichen

Ereignis wie erinnern sich die Leute

daran, die direkt damit zu tun hatten und

involviert waren? Also in Kambodscha hatte

eigentlich jeder der zu der zeit

gelebt hat, was damit zu tun, also jede

Familie hat Leute verloren

2 von 7 Millionen Menschen, ist es auch

schwer nämlich vor allem weil es nicht,

also es ging auch gegen ethnische

Minderheiten, aber nicht nur, also auch gegen

Leute, die als politisch anders

wahrgenommen wurden und das war einfach

eine Vermutung sozusagen, die man

eingestellt hat und das war jeder der

irgendwie widerwillig war oder man als

widerwillig wahrgenommen hat und so

sind eben einfach in jeder Familie auch

Leute gestorben. In den 80er Jahren und

den 90er Jahren gab es einen ganz anderen Umgang

als es heute damit gibt. Weil es da

wie gesagt noch einen Bürgerkrieg gab, hat

die Regierung in Phnom Penh die Hauptstadt von

Kambodscha, die roten Khmer ganz stark

dämonisiert, gegenüber der

internationalen Gemeinschaft auch weil

die ganze Zeit hat die UN zum Beispiel an die

vereinten Nationen weiterhin die roten

Khmer als legitime Regierung angesehen.

Aber in den 90er Jahren kam der

Bürgerkrieg zum Ende in dem der Premierminister

Hun Sen, der bis heute auch noch Premierminister ist,

Amnestien angeboten hat. Das Amnestien

heißt, wenn jemand übergelaufen ist, dass

die juristisch nicht belangt werden für das

was sie getan haben, sie werden nicht

angeklagt und viele haben dann auch

politische Ämter oder auch bestimmte

ökonomische Vorteile bekommen also, Länderrain und

so konnte man Stück für Stück Leute

motivieren überzulaufen

und damit setzte dann aber eine

andere Umgebungsweise ein also ende der

90er Jahre hat Hun Sen sogar gesagt, lass uns

ein Loch buddeln und die Vergangenheit

darin vergraben. Und ganz spannend, dafür

dass man 80er und 90er Jahre die roten Khmer

stark dämonisiert hat, sagt man heute

eher, na ja es waren die höchsten

Führungskräfte die verantwortlich sind

und alle anderen können sich als

Opfer begreifen. Das heißt die ganzen roten

Khmer, die einfach nur ausgeführt haben,

oder sogar die mittleren ränge, können

heute für sich auch ein auch ein Opferstatus

beanspruchen. Funktioniert das, also

psychologisch, ist das eine gute Lösung? Keine Ahnung, ich weiß

nicht ob die Frage dumm ist aber …

Nein, die Frage ist überhaupt nicht dumm

da scheiden sich die geister, kann man sagen. Also ich

würde sagen ja es funktioniert. Nicht

immer und nicht überall aber

größtenteils funktioniert das. Und das

liegt daran, dass während der Zeit der

roten Khmer, Leute fast nie in ihren eigenen

Regionen eingesetzt worden,

das ist in anderen Ländern z. B. in Ruanda

wo man immer die Nachbarn umgebracht

hat, in Bosnien war es auch so, ist es

anders. Das heißt, die Leute sind irgendwo

anders hin versetzt worden, haben

irgendwelche Gräueltaten begangen, aber

nach dem Völkermord oder sogar erst nach

dem Bürgerkrieg, sind sie zurückgekommen

in ihre eigenen Gemeinden. Und die Leute

wissen überhaupt nicht … Da war das nicht

Teil der Realität dann ja … Genau

Und was die aber sehr wohl sehen, ist das die Leute

auch alle Familienangehörige

verloren haben. Was dazu kommt auch, ist

dass die roten Khmer eben diese, also ich habe gesagt

dass es gegen politische Oppositionelle

ging, das heißt es wurden auch ganz viele

rote Khmer umgebracht. Das heißt diese ganze

Idee, dass sie auch Opfer sind,

da ist schon auch eine Grundlage dafür.

Gleichzeitig sind sie auch Täter und

Täterinnen gewesen. Also das muss man

natürlich auch sagen, aber das kann man

einfach ausblenden, wenn sie auch eine

gute Grundlage haben sozusagen.

Findest du das oder kennst du das als

verallgemeinerbare Sache, dass ein

gewisser Opfer narrativ, also soll heißen

sich selbst als Opfer darzustellen und

zu sehen, um einen Teil der Schuld vielleicht

abtreten zu können oder sich eben selber

nicht als Täter zu sehen, ist das ein verallgemeinerbares Muster?

Nicht unbedingt in dem ausmaß, also ich

forsche auch in Ruanda, ich war schon, nicht ganz so oft wie in

Kambodscha, aber ich forsche auch zu Ruanda.

Da gibt es auch Täterinnen und Täter, die

versuchen zu sagen, wir sind Opfer der

Geschichte, wie wir ausgebildet wurden,

dass wir sozusagen was Schlimmes

machen mussten und wir wollten das gar nicht.

Aber das ist auf einem ganz anderen Niveau, weil

in Ruanda zum Beispiel die

Täterinnen und Täter wurden selber kaum

belangt, also wenn man sich geweigert hat

mitzumachen konnte man auch umgebracht

werden, aber man wurde,

es war ein ganz anderer Ausmaß als

in Kambodscha. Das heißt sie können es

für sich beanspruchen, aber sie laufen

damit keine Türen ein, bei der Opfergruppe.

Also bei den Tutsi.

Das liegt auch daran, dass in Kambodscha

eben nicht nur die ethnische Minderheit

in Visier war, das heißt jeder war potenziell

Opfer. Also wenn man als politisch

anders wahrgenommen wurde, konnte man auch

Opfer verwenden, damit war theoretisch jeder im

Visier des Regimes, das es in den

meisten anderen Fällen sehr oft um

Ethnizität geht um Minderheiten

dann natürlich ganz anders.

Anders als dir, ging es mir in der Schule

tatsächlich so, dass mich das ganze Thema

jetzt weniger der Holocaust an sich,

sondern die, das NS-Regime und wie es

dazu kam und wie die Leute sich da haben

reinziehen und begeistern lassen oder

auch, dass Leute die skeptisch waren, dann

eben doch mitgemacht haben,

das hat mich immer sehr interessiert und

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